Die Rückkehr des Doktor Y.

Ich stehe in meiner Küche und beobachte abwechselnd den Kaffee, der langsam aus der Kaffeemaschine in die Kanne läuft, und die Regentropfen am Fenster. Im Moment ist das noch das Spannendste, was sich beobachten lässt. Ich frage mich, ob das Leben eines Triple-X-Agenten wirklich so öde sein darf, und ob es nicht Zeit wäre, dass der Wahnwitzige Doktor Y wieder von sich hören ließe. Selbst eine seiner hirnzerfetzenden Wirklichkeitsverschlingungen wäre mir jetzt willkommen. Wenigstens eine Abwechslung ... nur hatte die Sache natürlich einen Haken.
Es klingelt an der Tür. Vielleicht kam da ja die Abwechslung, die ich so dringend bräuchte.
Es ist Steffen, Agent XXA, mein Kollege im Amt für Wirklichkeitsschutz, und ein Freund. Studierter Unwahrscheinlichkeitsphysiker, Doppel-X-Agent, zwanzig Jahre jünger als ich, jemand, mit dem man in einem halbdunklen Zimmer sitzen, schlechte Musik aus guten Lautsprechern hören und über die unmöglichsten Dinge quatschen kann. Nur dass er in diesem Moment nicht so aussieht, als wäre er zum Quatschen gekommen.
Er ist zu ernst. „Hallo“, sagt er. „Hast du Zeit, dir ein paar Messungen anzusehen?“
„Von der Wirklichkeitsüberwachung? Warum haben die nicht direkt mich verständigt?“
„Sieh es dir an“, sagt er und reicht mir eine Speicherkarte.
Ich füttere meinen Laptop damit. Es sind Rohdaten, also schicke ich sie durch die Analyse. Als das Ergebnis da ist, sehe ich Steffen an. Er ist immer noch zu ernst.
„Hier in der Stadt“, sage ich. „Eine größere Anomalie. Hat langsam angefangen und baut sich immer noch auf. Das wird etwas richtig Großes ... und sie ist künstlich erzeugt worden. Bist du deshalb hier?“
„Ja“, sagt er. „Kannst du dir vorstellen, wer dafür verantwortlich sein könnte?“
„Das wird eine kurze Liste“, sage ich.
Ein Name?“
„Ja. Doktor Y.“
Steffen nickt. „Aber du bist Doktor Y.“
Womit er Recht hat. Bevor ich Agent XXXT wurde, war ich der Wahnwitzige Doktor Y, der fast zwei Jahre lang das Land mit Aktionen wie dem torlosen Pokal-Endspiel – torlos, weil beide Tore in der 26. Spielminute spurlos verschwanden – terrorisiert hat. Und davor war ich Professor Sütterlin, aber an diese Zeit denke ich nicht gern zurück.
Steffen sieht mich immer noch ernst und aufmerksam an.
„Haben sie deshalb dich geschickt?“ frage ich.
„Ich habe vom Chef persönlich den Auftrag“, sagt er langsam, „die Sache zu klären. Dafür habe ich alle Vollmachten.“
Einschließlich der, denke ich, mich zu verhaften. Oder zu erschießen.
„Ich war es nicht“, sage ich. „Das ist die Wahrheit. Aber es wurde mit den Geräten gemacht, die ich unten im Labor habe. Sie haben eine bestimmte Signatur, die in den Messungen deutlich zu erkennen ist.“
Steffen sieht mir über die Schulter und nickt. „Und außer dir kann die keiner bedienen.“
„Ja. Aber ich war es nicht.“
„Könnte es sozusagen Doktor Y gewesen sein, und du erinnerst dich nicht daran?“ fragt er vorsichtig.
„Gespaltene Persönlichkeit? Nein. Ich weiß genau, was ich zu jeder Zeit getan habe.“
„Ich nehme im Zusammenhang mit dir das Wort ‘unmöglich’ nur ungern in den Mund, aber es kann unmöglich Doktor Y gewesen sein und du nicht“, sagt Steffen.
„Möglicherweise doch“, sage ich. „Ich habe einen Verdacht, was hier los sein könnte. Lass uns dorthin fahren, wo die Sache am kochen ist. Ich will direkt vor Ort messen. Geht das?“
„Ich habe einen Wagen unten“, sagt Steffen.

Wir gehen zuerst in mein Labor unter der Wohnung und nehmen die Generatoren mit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir sie brauchen werden. Dann bringt uns der Wagen zum Ort des Geschehens.
Einsatzort ist die Haupteinkaufsstraße unserer Stadt. Etwa acht Geschäfte lang ist das Stück Fußgängerzone, das die Polizei abgesperrt hat. Schicke, elegante Läden, von der Schuh-Boutique bis zum Trendcafé. Nicht zu vergessen die Geschäftshäuser darüber – ich überschlage Summen und denke, dass alleine der Wert der Grundstücke das Budget des Amtes auf Jahre hinaus decken könnte.
Unsere Leute in Schwarz sind vor Ort und kümmern sich um alles, was die Absperrung durchbricht. Steffen lässt sich einen Lagebericht geben.
„Im Moment ist es relativ ruhig“, erklärt der Anführer unseres Trupps. „Überall gröhlende Schaufensterpuppen, die aber nur ziellos umhertaumeln. Etwa sechs von den üblichen ektoplasmischen Glibbermonstern, dann und wann fallen Butterdosen vom Himmel ... das einzige Größere war ein Wesen aus Brillengestellen, das aus dem Optikergeschäft ausgebrochen ist und da drüben versucht hat, einen Einkaufswagen ... äh, zu vergewaltigen, glaube ich. Wir haben es eliminiert.
Und irgendwo treibt sich ein freifliegendes Gelaber herum, das wir nur orten können, wenn es sich in einem Ohr festgesetzt hat – und dann können wir natürlich nicht darauf schießen.
Menschen sind in dem Gebiet keine mehr. Ich würde sagen, im Großen und Ganzen ist die Lage unter Kontrolle.“
Was sich natürlich jeden Augenblick ändern kann. Aber es ist gut zu wissen, dass die Kammerjäger uns den Rücken freihalten.

Steffen und ich betreten die Zone. Etwa in der Mitte der Häuserzeile steht das Café, das wir zu unserem Hauptquartier erklären. Drinnen räume ich auf einem Tisch Platz frei und klappe meinen Laptop auf. Steffen sieht mir beim Messen über die Schulter.
Nach etwa zehn Minuten sagte er: „Ich wüsste ganz gerne, was du da machst.“
„Berechnungen“, sage ich. „Gib mir noch eine Minute.“
Ich brauche zwei, dann bin ich mir sicher. Ich lasse die Ergebnisse auf dem Bildschirm anzeigen. Er beugt sich vor.
„Interdimensionaler Kreuzaufriss“, kommentiert er die Lage. „Schlimm, und er wird immer noch stärker. Wie viele Realitätsebenen? So, wie es aussieht, etwa vierzig, und sie entfalten sich wie ein Blätterteig im Ofen. Es ist mit Sicherheit künstlich erzeugt ... den Rest da unten verstehe ich nicht.“ Er zeigt auf die letzten Zeilen auf dem Bildschirm.
„Ich weiß jetzt, was hier los ist“, sage ich. „Ich weiß, wie es gemacht wurde, wer dahinter steckt und was der Sinn des Ganzen ist.“
Steffen sieht mich besorgt an.
„Ach was, ich wusste es sofort“, sage ich gereizt. „Schließlich war ich es, oder? Und ich weiß, wie ich denke. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt völlig durchgeknallt war. Und ich war es nicht.
Erinnerst du dich an den doppelten Kölner Dom?“
„Was?“ Er runzelt die Stirn. „Was hat das hiermit zu tun? Jedenfalls war das sicher der Coup des guten Doktors, der den größten Aufruhr erzeugt hat. Obwohl ich den Gummibärchenaufstand noch besser fand. In jedem Supermarkt standen sie mit Transparenten wie ‘Nieder mit den Tüten!’ und ‘Wir fordern freie Farbwahl!’ “ Er lacht, schüttelt den Kopf und wird wieder ernst.
„Ja“, sage ich, „aber erinnere dich an den Dom. Ich habe das nach genau der gleichen Methode gemacht wie das hier, nur dass es hier mehr Ebenen gibt und sie eine Menge Zufälle einschließen. Egal. Worauf es ankommt: Ich habe damals den Dom von innen dupliziert, weil ich das Duplikat ja wieder schließen musste und man multiple Realitätsebenen dieser Größenordnung nur von innen schließen kann.“
„Moment“, sagt Steffen alarmiert. „Das heißt...“
„Ja. Für die etwa 40 Stunden, die der zweite Dom existiert hat, war auch ich zweimal vorhanden. Dann hat mein Duplikat seine Ebene geschlossen und ist dabei selbst mit ausgelöscht worden.“ Ich hebe die Hand, um seinen Einwand abzufangen. „Nein, es existiert wirklich nicht mehr. Aber es ist für das hier verantwortlich. Es hat damals, vom Dom aus, das hier gelegt, wie eine Art Zeitbombe, die drei Jahre später hochgehen sollte. Wie wir sehen, hat es geklappt.“
„Aber warum? Das ist doch der totale Wahnwitz!“
„Ich war doch auch der Wahnwitzige Doktor Y, oder? Du musst zweierlei verstehen: Erstens war ich damals schon entschlossen, mit der Doktor-Y-Geschichte aufzuhören. Ich habe zu viele Sachen gemacht, die wirklich gefährlich waren, für mich und andere.“
Ich merke, dass ich zu schnell spreche, zu aufgedreht bin und zu bitter. Das Ganze hier, meine kleinen Tricks und verdrehten Spielchen, mit denen ich – mein anderes Ich, aber eben auch ich – mir ein Bein gestellt habe, wird jetzt alles zerstören, meine Freundschaft zu Steffen, den Job beim Amt, das Gefühl, dass mein Leben zum ersten Mal so ist, wie ich es mir immer gewünscht hatte. Und das alles nur, weil ein gelangweilter Professor meinte, es wäre doch ganz lustig, zur Abwechslung mal ein durchgeknallter Superverbrecher zu sein.
Ich zwinge mich, ruhiger zu sprechen. „Du musst verstehen, dass ich damals, als ich im Dom saß und die verdoppelten Ebenen überwachte, beschlossen habe, die ganze Sache zu beenden. Ich wollte noch die Gummibärchen-Geschichte durchziehen und dann einfach von der Bildfläche verschwinden und die Leute rätseln lassen, wer der Doktor war und was aus ihm geworden ist. Aber...“
Ich breche ab, weil mir plötzlich eine Stimme ins Ohr labert, dass die Bundesligamannschaften am Tabellenende im Abstiegskampf... Das brauche ich jetzt wirklich nicht. Kreuzwütend schnappe ich mir das Gelaber und lasse es in eine halb volle Kaffeetasse fallen. Es geht mit einem Blubb unter. Schnell decke ich einen Untersetzer darüber.
Steffen beugt sich über die Tasse. „Es kann anscheinend schwimmen“, sagt er. „Es beschwert sich gerade, das wäre alles kalter Kaffee.“
Wir lachen. Das fühlt sich gut an, aber besser wird die Lage dadurch nicht. Steffen wird schnell wieder ernst. „Du hast deinen Plan anscheinend auch durchgezogen – mit einer entscheidenden Abweichung“, sagt er. „Statt in den Ruhestand zu gehen, bist du Agent für das Amt geworden.“
„Das hat sich auf völlig verrückte Weise ergeben“, erkläre ich. „Damals war das Amt ein müder Haufen. Nur ein paar Ex-Geheimdienst-Agenten mit etwas naturwissenschaftlicher Vorbildung, die mit Geräten aus den Sechzigern arbeiteten, die sie bedienen konnten, aber nicht verstanden. Sie haben den Doktor gejagt, aber sie sind mir nie auch nur nahegekommen.
Also habe ich, nachdem der Doktor seine Laufbahn beendet hatte, dem Chef des Amtes einen Besuch abgestattet.“
„Was, unserem Chef? Dem Mann ohne Namen?“ fragt Steffen verblüfft.
„Ich habe rausgefunden, wer er ist. Eines Nachts wurde er wach, und ich saß auf seiner Bettkante. Er hat seine Brille aufgesetzt und gesagt: ‘Doktor Y, nehme ich an.’ “
Steffen lacht. „Cool. Und dann?“
„Dann habe ich ihm erklärt, warum seine Leute mich nicht gefunden hatten und auch sonst nicht sonderlich erfolgreich waren. Ich habe ihm erzählt, wo die Fehler lagen und wie ich das Amt aufziehen würde. Daraufhin hat er mir seinen Posten angeboten.“
„Was? Du bist in Wahrheit der Chef?“
„Nein, das ist immer noch er. Ich wollte den ganzen Verwaltungskram nicht. Statt dessen hat er die Behörde nach meinen Plänen umgebaut, und ich wurde sein erster Triple-X-Agent. Den Rest kennst du.“
„Ja, verstehe“, sagt Steffen nachdenklich. „Aber wie...“
„Lassen wir das jetzt. Worauf es ankommt, ist – und das ist das zweite, was du verstehen musst – ich habe damals die Kurve bekommen und mache etwas so Sinnvolles, wie es einem praktizierenden Chaoten überhaupt möglich ist, und ich fühle mich gut dabei. Aber mein Duplikat ist damals offensichtlich völlig übergeschnappt. Es hat dies hier gestartet und dann den Stop-Knopf gedrückt wie abgemacht – sich ausgelöscht in dem sicheren Wissen, dass ich drei Jahre später in diese hübsche Falle laufen musste.“
„Ich weiß immer noch nicht, wieso dies eine Falle sein soll“, sagt Steffen. „Wir haben jetzt geklärt, dass du hierfür nicht verantwortlich bist, wir wissen, worum es sich handelt und wie es gemacht wurde – also warum bauen wir nicht die Generatoren auf und beenden den Spuk?“
„Nimm dir mal die Messungen vor und sieh dir an, was passiert, wenn wir das versuchen“, sage ich ruhiger als ich mich fühle.
Steffen zieht den Laptop zu sich herüber und fängt an. Ich warte. Ich weiß, was er finden wird und was es für ihn bedeuten wird, das zu finden. Acht Minuten später hat er es.
Er holt kurz und hart Luft. „Die Gleichungen für alle Ebenen werden null. Wir können nicht einfach die überflüssigen Realitätsebenen schließen, und die Wirklichkeit fällt auf die Grundebene zurück – es bleibt überhaupt keine Wirklichkeit übrig! Wie kann das sein? Was geschieht dann?“
„Ein Wirklichkeitsvakuum kann nicht bestehen und füllt sich sofort mit Realitätstrümmern aus der Umgebung“, sage ich leise. Er starrt mich an. Er ist Wissenschaftler genug, um zu wissen, was das bedeutet, und er hat inzwischen genügend Erfahrung in unserem Job, um es sich lebhaft vorstellen zu können. Ich sehe den Schrecken in seinen Augen tiefer werden.
„Und wenn wir die Sache einfach ihren Gang gehen lassen? Diese Realitätsverschiebung muss irgendwann in sich zusammenbrechen...“ Er gibt einige Daten in den Laptop ein. „Ja, das wird sie, in etwa 72 Stunden, aber dann geschieht genau dasselbe, nur mit einem noch größeren Knall.“
Er sieht mich an. „David, was soll das? Er war du, oder nicht? Du würdest so etwas nie tun. Oder?“ Ich sehe den Zweifel in seinen Augen.
„Nein, nie“, sage ich müde. „Auch als Doktor Y habe ich nie jemanden verletzt oder größeren bleibenden Schaden angerichtet. Ich wollte die Leute verwirren, das war mein Ziel. ‘Nur aus der Verwirrung erwächst die Erkenntnis’ “, zitiere ich den ersten Glaubenssatz der Chaoten. „Nein, es war auch nie sein – mein Ziel, es zur Katastrophe kommen zu lassen. Ich glaube, ich – er wollte, dass ich in meinem Ruhestand auf diese Anomalie stoße. Ich hätte sie untersucht und erkannt, was es ist und was ich tun muss, um sie zu beenden. Und genau das machen wir jetzt. Komm, lass uns die Generatoren anschließen.“
„Aber dann wird doch...“, wirft Steffen ein und bricht ab, als Glas klirrt und draußen etwas brüllend vorbeistapft. Etwas Großes. Wir erstarren, aber offensichtlich ist es nicht zu einem Cafébesuch aufgelegt. Kurz darauf hören wir die Strahlenkanonen der Jungs in Schwarz, und dann geht etwas Großes schwer zu Boden.
Ich greife mir das Stromkabel des nächstbesten Generators. „Ich kann eine der Realitätsebenen stabilisieren, wenn ich die anderen von innen her schließe“, spreche ich den Satz aus, vor dem ich mich die ganze Zeit gefürchtet habe.
Steffen holt tief Luft. „Das war also sein Plan! Er inszeniert eine Situation, in der du dich selbst auslöschen musst. Das gleiche Schicksal wie er. Aber wieso erst nach drei Jahren?“
Ich schließe Generator zwei an und schalte beide ein. „Damit ich mehr zu verlieren habe, nehme ich an. Da hat er Recht gehabt – ich kenne mich schließlich gut. Ein Leben, Freunde und so weiter...“ Ich sehe Steffen an. „Das hatte ich damals nämlich nicht wirklich. Hilfst du mir jetzt, die Generatoren zu kalibrieren? Ich möchte das hier hinter mich bringen, bevor Godzillas großer Bruder auftaucht, oder was auch immer noch in den wildgewordenen Ebenen lauert.“
Steffen packt meine Schulter. „Was ist das hier, ein Wettbewerb in selbstaufopfernder Pflichterfüllung? Du gehst nicht einfach hin und begehst Selbstmord für die gute Sache. Denk dir etwas anderes aus!“
Ich regle den ersten Generator ein, dann den zweiten. „Und was sollte das sein?“
„Woher soll ich das wissen? Du bist doch der Mann, der an einem Vormittag sechs unmögliche Dinge tut!“
„Manchmal schon vor dem Frühstück“, sage ich mit einem Lächeln. Beide Generatoren laufen stabil. Gut, denke ich. Gut auch, Steffen zu kennen. Es ist schon seltsam: Man trifft einen Wildfremden, findet ihn irgendwie interessant, macht Dinge zusammen, und plötzlich ist er ein Freund. Seltsam, wie so etwas wächst, mit der Zeit...
„Zeit“, sage ich und stehe mit einem Ruck auf. „Die Formel, die ich benutzt habe, enthält eine zeitliche Komponente. Man kann offensichtlich die Wirkung mit einer gewissen Verzögerung auslösen. Auch beim Schließen?“ Ich hacke ein paar Werte in den Laptop. „Ja, aber das wird knapp. Je mehr Vorlauf ich gebe, umso unschärfer wird das Ergebnis... Wie lange brauche ich bis zur Absperrung?“
„Von hier aus, wenn du rennst? Zwanzig Sekunden ... eher dreißig.“
„Dreißig sind zu viel. Vierundzwanzig kann ich riskieren.“ Ich klappe den Laptop zu und reiche ihn Steffen. „Nimm den mit und meinen Mantel. Ich werfe das hier an und komme nach. Sag unseren Leuten an der Absperrung, sie sollen auf alles gefasst sein: Wenn ich den Ramsch hier auf diese Weise schließe, bleiben bestimmt ein paar größere Anomalien zurück. Wir werden auch die Generatoren verlieren...“ Ich sehe Steffen an, der zögert. „Verschwinde. Ich komme nach.“

Er geht, und ich bereite alles vor, stelle die Generatoren ein, kontrolliere alles, und dann kontrolliere ich alles noch einmal. Mein Finger schwebt über dem großen Knopf. Sind vierundzwanzig Sekunden genug? Ich bin einigermaßen fit, aber ich gehe steil auf die Fünfzig zu... Was soll’s. Ich kann nur rennen und hoffen. Ich drücke den Knopf.
Ich sprinte, als wäre der Tod persönlich hinter mir her. Was ja auch stimmt. Schon erstaunlich, was ein Körper aus sich herausholt, wenn es um das drohende Ende seiner Existenz geht. Trotzdem schaffe ich es nicht ganz bis zur Absperrung.

Was ich auch gar nicht muss, denn wie im Polizeihandbuch empfohlen haben sie das Gitter ein ganzes Stück vor der eigentlichen Zone aufgestellt. Ich bin schon dort raus, als hinter mir all die künstlichen Wirklichkeitsschichten zusammenbrechen, und mich trifft nicht mehr als die übliche Druckwelle, und Staubwirbel, und es regnet Glasscherben von allen Seiten.
Hände zerren mich durch den Zaun, und um mich herum brüllen die Männer in Schwarz Anweisungen und gehen in Angriffsposition. Dazu haben sie auch allen Grund, denn genau da, wo ich eben noch stand, ist etwas aufgetaucht – ein drei Meter hoher Riesenmuffin, komplett mit Glasur und einer Kirsche als Topping. Die Männer feuern, aber das Ding wankt unbeirrt auf uns zu. Als es auf den Zaun trifft, frisst es ihn einfach.
Die Männer ziehen sich zurück und feuern weiter, ohne erkennbares Ergebnis. Steffen steht neben mir und misst. „So wird das nichts!“ brüllt er, schnappt sich die Strahlenkanone des nächstbesten Kammerjägers und stellt etwas daran anders ein. Dann feuert er. Der Monsterkuchen vergeht in einem Schauer von Krümeln.

Der Einsatzleiter versucht mir einen Schadensbericht zu geben, aber ich winke ab. „Räumen Sie hier auf“, sage ich. „Fordern Sie einen oder zwei X-Agenten an, wenn Sie etwas finden, womit Sie nicht fertig werden. Ich gehe jetzt nach Hause und trinke einen Kaffee.“
Steffen kommt zu mir herüber. „Du riechst nach verbranntem Keks“, sage ich. Er lacht.
Wir gehen zum Wagen. „Kannst du eigentlich die Generatoren rekonstruieren?“ fragt er mich.
„Ja, und ich habe schon eine Idee für eine bessere Steuerung. Wir sollten das besprechen ... komm doch mit mir nach Hause“, schlage ich vor. „Der Kaffee sollte inzwischen durchgelaufen sein.

© P. Warmann