Es war ein stiller Nachmittag bei wunderschönem Herbstwetter. Meine
Frau war in der Küche und rauchte ein Käsebrötchen, ich
saß im Wohnzimmer und las die Zeitung.
Etwas lenkte mich ab. War da eine Bewegung gewesen? Dort, wo die Sonne
auf den Teppich schien... Ich sah genauer hin. Nein, da war nichts ...
oder doch. Doch, ja, genau dort. Es kam und verschwand, aber da war etwas.
Schatz, komm doch mal, rief ich, das solltest du dir
ansehen.
Meine Frau erschien und beugte sich über meine Schulter. Uh,
sagte ich, wenn du das Rauchen schon nicht lassen kannst
muss es ausgerechnet Limburger sein?
Schmeckt so lecker, meinte sie. Was ist denn los?
Was war eigentlich in dem Biomittel gegen die Silberfischchen, das
du ausgestreut hast? wollte ich wissen.
Keine Ahnung, aber es scheint zu wirken. Wieso?
Sieh doch mal auf den Sonnenfleck, forderte ich sie auf. Fällt
dir irgend etwas auf?
Sie betrachtete den Teppich, eine ganze Zeit lang. Nein, nichts,
sagte sie, und dann fast gleichzeitig Oh. Wir sahen beide
der kleinen dreieckigen Flosse zu, die ihre Kreise durch den Flor zog.
Tja, meinte ich, anscheinend haben wir jetzt Teppichhaie.
Ach du je. Sie sah mich an. Findest du es schlimm?
Nein, eigentlich nicht. Mich stören sie nicht, und sie halten
die Silberfischchen kurz. Lassen wir sie in Ruhe.
Meine Frau stimmte mir zu. Ich legte die Zeitung beiseite und erklärte,
dies wäre der richtige Tag, um das Laub im Garten zusammenzuharken.
Ich brauchte etwas Bewegung.
Ich machte mich also mit der Harke ans Werk, und die Arbeit ging gut
voran. Bis ich zu der Gruppe von Büschen kam, die an der Grenze zum
Nachbargrundstück wachsen. Irgend etwas kam mir merkwürdig vor.
Ich stützte mich auf die Harke und betrachtete die Sträucher.
Etwas war anders, aber was? Die Gruppe schien dichter, und da waren Blätter,
die aussahen, als wenn sie dort nicht hingehörten. Merkwürdig.
Ich ging näher heran, um es mir anzusehen, um die Büsche herum,
schob Äste beiseite und arbeitete mich durch, zur Mitte der Strauchgruppe.
Und dort stolperte ich in einen freien Raum, der vorher auch noch nicht
dagewesen war, und fand mich dort umgeben von ... oh, Mist. Nicht das.
Raus hier, nur weg!
Es war zu spät. Sie hatten mich schon bemerkt. Etwas riss mir die
Harke aus der Hand, Ranken umschlangen meine Beine, Dornen bohrten sich
in mein Handgelenk. Wilde Rosen! Anscheinend hatte ein Rudel von denen
sich hier eingenistet, unbemerkt, und ich war mitten in ihr Lager gestolpert.
Verdammt. Was jetzt? Weg hier aber sie hatten mich, hielten mich
fest mit zähen Ranken und üblen Dornen. Dann um Hilfe rufen
meine Frau als Beschwörerin hatte die Mittel, um mit dieser
Bande fertig zu werden. Ich öffnete den Mund, aber eine Ranke peitschte
um meinen Hals, und ein Dorn erschien fünf Millimeter vor meinem
linken Auge. Ich schluckte. Sie wussten, wie sie mich in Schach halten
mussten.
Verzweifelt sah ich mich um und suchte nach einem Ausweg. Rundum Rosen,
nicht nur wilde, viele waren verwilderte und hatten Erfahrungen machen
müssen mit Menschen und ihren Scheren. Die würden nicht mit
sich verhandeln lassen. Ich spürte, wie eine Ranke in mein Hosenbein
kroch und sich nach oben vorarbeitete, auf empfindlichere Teile zu. Was
sollte ich nur machen?
Plötzlich kam Bewegung in die Bande. Sie huschten hin und her, raschelten
und zuckten. Die Ranken, die mich hielten, packten fester zu, und der
Dorn vor meinem Gesicht ... ich schloss die Augen, wissend, dass das nicht
viel helfen würde.
Dann klatschte mir etwas ins Gesicht wie eine Ladung nasser Blätter
und schirmte mich ab gegen jeden Angreifer. Die Ranken, die mich hielten,
wurden weggerissen. Etwas oder jemand zerrte mich rückwärts
durch die Büsche, ich verlor einen Schuh, aber ich war in Sicherheit.
Mein Retter ließ mich los und die Blätter verschwanden aus
meinem Gesicht.
Ich blinzelte und sah mich um. Meine Frau kam über den Rasen auf
uns zugestürmt, begleitet von zwei Bäumen. Ich sah hoch. Über
mir schwebte der dritte Baum und raschelte besorgt mit den Blättern.
Unsere drei Freunde, denen wir erlaubt hatten, in unserem Boden zu wurzeln.
Danke, sagte ich, vielen Dank. Das war knapp.
Meine Frau hatte inzwischen den Kampf aufgenommen. Sie stand in den Büschen,
in einer Wolke von Blättern, und schleuderte Beschwörungen.
Die Rosen hatten keine Chance gegen sie. Nur ein, zwei Minuten, dann kamen
sie aus den Büschen herausgestürzt, reichlich gerupft. Sie flohen,
wild mit den Ranken fuchtelnd und mit einem Kreischen, das dem Baum die
Blätter kräuselte.
Meine Frau kam zu uns herüber, Rosenblätter in den Haaren und
umgeben von dem Geruch nach Salpeter und Phosphor. Sie sah mich besorgt
an. Du blutest.
Nur Schrammen. Aber ohne unsere Freunde hätte das böse
ausgehen können.
Wir bedankten uns noch einmal beide herzlich, dann schwebten die Bäume
davon, um wieder zu wurzeln, und wir gingen ins Haus, um mich zu verpflastern.
© P. Warmann