Der Kochlöffel.

Ich besuchte meinen Freund Alex, den Erfinder, und fand ihn, wie eigentlich immer, in seiner Werkstatt.
„Gibt es etwas Neues?“ fragte ich ihn.
„Nicht viel, höchstens das“ – er zeigte auf eine Art Overall mit langen Ärmeln und aus Nylongewebe, der an einem Haken hing. „Erinnerst du dich an die Regenjacke?“
Ich nickte. Es war eine von Alex’ blöderen Ideen gewesen. Ich meine, wer braucht schon eine Jacke, in der es ständig regnet?
„Das ist eine Weiterentwicklung davon“, erklärte Alex. „Für Wohnungen ohne Bad und für unterwegs: der Badeanzug.“
„Und wie macht man das mit der Seife?“ wollte ich wissen.
Alex kratzte sich am Kopf. „Daran arbeite ich noch.“
Quietsche-Entchen konnte man in dem Ding auch nicht benutzen. Ich sah wenig Verkaufchancen dafür.

„Eigentlich wollte ich dir etwas anderes vorführen“, meinte Alex. „Komm mit in die Küche.“
Ich steuerte auf die Tür zu, aber Alex packte mich am Arm und rief: „Vorsicht! Tritt da nicht rein.“
Erschrocken sah ich nach unten und entdeckte eine finstere Lache, die hinter einem Stapel Kartons hervorsickerte. Was war das? Wie eine Flüssigkeit sah es nicht aus...
„Dunkelheit“, erklärte Alex. „Sei vorsichtig. Wenn das an deinen Schuhen hängen bleibt, siehst du nicht mehr, wohin du trittst.
Du erinnerst dich doch an das Nachtlicht, das Finsternis ausstrahlt? Ich arbeite gerade an der Intensität, aber im Moment klappt es noch nicht richtig. Anstatt dass die Dunkelheit mehr Reichweite bekommt, wird sie nur dicker und klumpt, und weil sie schwerer ist als Licht, sammelt sie sich am Boden. Sie verdunstet zum Glück mit der Zeit.“
Ich machte einen Bogen um die Pfütze und folgte Alex in die Küche.

Dort holte er eine Dose Gulaschsuppe und eine Suppentasse aus dem Schrank und fing dann an nach etwas zu suchen. Ich sah ihm zu, aber dann fiel mein Blick auf ein Etwas auf dem Boden. Es sah aus wie ein glasklarer, farbloser gestürzter Wackelpudding. Nun ist Alex ein ziemlich unordentlicher Mensch, aber seine Küche hält er sauber. Ein Pudding auf dem Boden passt nicht zu ihm. Außerdem schien dies nicht wirklich Götterspeise zu sein, es sah eher wie ein Klumpen Wasser aus, der von selbst seine Form behielt. Und es bewegte sich.
Ich ging näher heran, und der Klumpen entwickelte einen Panzer, Beine und einen Kopf. Wässrige blaue Augen sahen mich an, und ängstliche Wellen flossen über den Körper.
Ich zog mich etwas zurück, um sie nicht zu erschrecken. „Eine Wasserschildkröte!“ rief ich. „Alex, wo hast du die denn her?“
Er grinste. „Die gehört meiner Schwester, ich kümmere mich während ihres Urlaubs um sie.“
„Was frisst sie?“
„Jede Art von Grünzeug. Besonders gerne mag sie aber Rauchpilze.“ Er zeigte auf eine Schale auf der Fensterbank, in der Pilze wuchsen. Man hätte sie für etwas klein geratene Maronen halten können, wenn sie nicht eine Art Kamin im Hut gehabt hätten. In unregelmäßigen Abständen stiegen daraus blaue Rauchwolken auf.

„Gut, ich bin fertig“, sagte Alex. Er hatte die Gulaschsuppe inzwischen in die Tasse gefüllt.
„Das große Problem bei Fertiggerichten ist die Energieverschwendung“, erklärte er. „Man erhitzt die Speisen erst und lässt sie dann auf Verzehrtemperatur abkühlen. Oder man erwärmt sie auf die richtige Temperatur, aber dann kühlen sie ab, bevor man fertig ist. Unbefriedigend. Hier ist die Lösung: der Kochlöffel.“
Er hielt mir einen Löffel hin. Er schien aus weißer Keramik zu sein und hatte einen ziemlich dicken Stiel.
„Er funktioniert mit hochintensiven Mikrowellen kurzer Reichweite. Die Speisen werden auf dem Weg vom Teller zum Mund auf genau die richtige Temperatur gebracht. Die Bedienung ist ganz einfach: Hier ist der Anschalter, und mit dem Rad regelst du die Hitze. Versuch es mal.“
Ich löffelte also Gulaschsuppe, hatte nach drei Portionen die mir angenehmste Temperatur gefunden und war beeindruckt. Eine wirklich nützliche Erfindung.

Alex versprach, mir auch einen Kochlöffel zu bauen. Als ich ging, fragte er: „Was ist eigentlich mit der Kletterrose, die ich dir besorgt habe? Gedeiht sie?“
„Wie man es nimmt“, antwortete ich. „Ich habe sie mit ihrem Kübel an die Südmauer des Hofes gestellt, und sie ist eine Zeit lang sehr schön gewachsen. Dann ist sie eines Tages über die Mauer geklettert und hat sich davongemacht. Manchmal sehe ich sie noch, wenn sie sich am Nachbarhaus zwischen zweitem und drittem Stock über die Wand hangelt. Es scheint ihr gut zu gehen.“
„Lass den Pflanzkübel auf dem Hof stehen“, riet Alex mir. „Wahrscheinlich kommt sie zurück, um zu blühen. Sie werden dann sesshafter.“
Mit diesem tröstlichen Rat versehen verabschiedete ich mich.

© P. Warmann