Ich betrat die Große Messehalle, über der ein Riesen-Banner
hing: Modern Food Genuss und Innovation. Heute war
die Messe nicht für das allgemeine Publikum zugänglich, aber
ich hatte eine Einladung von Alex, der hier einige seiner Erfindungen
vorstellte.
Sein Stand war schmal und lag eingeklemmt zwischen einem Hersteller von
Vakuumherden und einem, der Synthesemaschinen für vegetarischen Ei-Ersatz
anbot. Bei Alex war eine Menge Betrieb. Besonderes Interesse fand der
Kochlöffel, der mit stark gebündelten Mikrowellen das Essen
auf dem Weg zwischen Teller und Mund kocht. Ich habe einen Prototyp, aber
inzwischen hatte Alex das Ding zur Serienreife entwickelt und einen Hersteller
dafür gefunden.
Wie läuft es? fragte ich.
Großartig. Der Kochlöffel wird ein internationaler Erfolg,
antwortete Alex strahlend. Alleine heute Morgen haben wir schon
sechstausend Einheiten für den Vertrieb in Belgien verkauft.
Was bietest du sonst noch an? Den Plasmagrill?
Nein, die Plasmatechnik fällt leider unter den Atomwaffensperrvertrag.
Aber ich habe auf der Basis der künstliche Intelligenz des reiskorngroßen
Minirasierers einen automatischen Abwasch-Schwamm entwickelt, so groß
wie eine Briefmarke. Du stellst den ganzen Abwasch ins Becken, lässt
heißes Wasser ein, gibst Spülmittel dazu, wirfst den Abwascher
ins Wasser und machst eine halbe Stunde lang etwas anderes. Danach kannst
du das Wasser ablassen und das Geschirr ist sauber. Das Schönste
ist, dass er nicht einmal eine Batterie braucht er zieht die Energie
aus dem heißen Wasser.
So einen muss ich haben, sagte ich sofort.
Bekommst du. Jetzt machen wir aber erstmal einen Rundgang durch
die Fresshalle. Aber vorher möchte ich noch meine Post durchsehen,
ich habe sie heute Morgen eingesteckt und hatte noch keine Zeit, sie zu
lesen. Ich glaube, da ist ein Schreiben von einer Behörde dabei.
Alex zog ein Bündel Briefe aus der Jacke, ging sie durch und öffnete
dann einen braunen Behördenumschlag.
Oh, sehr gut, sagte er erfreut, meinem Antrag auf Befreiung
von der Pfefferminz-Pflicht wurde stattgegeben. Mal sehen, was sich für
mich ändert ... Verpflichtung zur Leistung von Karamell-Ausgleichszahlungen,
ja, das wusste ich ... oder Ausgleich durch Krokant-Äquivalent ...
Verechnung mit dem Vanille-Freibetrag, das muss ich alles noch ausrechnen
... oh, schön, meine Lakritz-Klasse bleibt gleich ... Ingwer-Zuschuss
entfällt, den habe ich sowieso nie in Anspruch genommen ... dafür
habe ich jetzt ein Anrecht auf Kardamom-Beihilfe. Gut, wir können
los.
Er steckte das Schreiben weg und wir machten uns auf den Weg in die Halle
mit den innovativen Lebensmitteln.
Gleich am ersten Stand wurde Wurfzucker vorgeführt. Gekonnt schleuderte
der Vorführende die aerodynamisch geformten Stücke in eine zwei
Meter entfernt stehende Tasse, wo sie ohne Spritzer eintauchten.
Wir gingen weiter und betrachteten ohne große Begeisterung wiederverwendbare
emaillierte Brühwürfel, kandierten Rosenkohl und Kräuter-Gummibärchen
in den Geschmacksrichtungen Bärlauch, Dill und Petersilie. Am nächsten
Stand bot man uns Kekse an, und wir probierten. Sie schmeckten recht gut,
aber hinterher hatte ich den Mund voller kleiner harter Teilchen.
Was ist denn in denen drin? fragte ich, und Alex fischte einen
Prospekt aus einem Halter.
Aha, hier steht es: Vollkornkekse mit hohem Ballaststoff-Anteil.
Mit Honig gesüßt. Enthalten 17 Prozent Haferspelzen.
Wir beschlossen, nicht auch noch die Bärlauchkekse mit echten Leinfasern
zu versuchen, und gingen weiter. Jemand bot die abfallfreie Tütensuppe
an und demonstrierte es, indem er die Suppentüte in kochendes Wasser
warf, wo sie sich samt Inhalt auflöste und eine akzeptable Hühnerbrühe
mit Sternchennudeln ergab.
Oh, das ist gut, sagte Alex und steuerte auf den nächsten
Stand zu. Er hielt mir etwas hin, das wie eine Rolle weißen Geschenkbandes
aussah.
Das ist Süßstoff vom Meter. Du hast dich sicher schon
über die üblichen kleinen Tabletten geärgert sie
machen sich dauernd davon, und man kann sie nicht teilen, wenn einem eine
ganze zu viel ist. Das hier ist viel besser: Du reißt nur so viel
ab, wie du haben willst. Ein Zentimeter entspricht einem halben Teelöffel
Zucker.
Ich steckte eine Proberolle ein.
Hinter der nächsten Ecke platzten wir in die nächste Vorführung.
Hauchdünne Scheiben sind gut und schön, hörten
wir, aber was machen Sie mit Streichwurst? Wir haben die Lösung:
Sprühwurst aus der praktischen Mehrweg-Kartusche!
Wir schüttelten beide den Kopf und gingen zum zentralen Stand dieser
Halle, der gar nicht zu verfehlen war. Musik dröhnte, farbiges Licht
flackerte und ein halbes Dutzend extrem schlanker Mädchen zuckte
auf einer Bühne hektisch im Takt. Beworben wurde damit etwas, das
wie knallbunter Wackelpudding aussah.
Ich las die Plakate. NEU !! GloB Genuss lecker ohne Ballast.
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nicht einmal, dass Sie es schlucken!
Ich schüttelte mich, aber Alex ließ sich drei Proben GloB
pur geben.
Du willst das doch nicht wirklich essen? fragte ich ziemlich
entsetzt.
Nein, natürlich nicht. Aber sieh mal ... ach nein, du kannst
das ja nicht erkennen: Das Zeug enthält eine ganz seltsame sechsdimensionale
Komponente, die ich mir näher ansehen möchte. Ich frage mich,
ob die nur durch Zufall drin ist oder... Eigenartig ist es jedenfalls.
Spätestens jetzt war mir der Appetit gründlich vergangen.
© P. Warmann