Ich war mit Ulla bei Alex, weil sie sich bereiterklärt hatte, seine neuste Erfindung zu testen. Deshalb wuselte seit ein paar Wochen ein von künstlicher Intelligenz gesteuerter 5-Cent-Stück-großer Mini-Entkalker durch ihr Bad (und manchmal auch durch die anderen Zimmer) und versuchte Waschbecken und Wasserhähne von Kalkablagerungen zu befreien. Was ganz gut funktionierte, wenn man von den üblichen Pannen einer Erprobungsphase einmal absah. So hatte das Gerät ein größeres Loch in einen Marmoraschenbecher gefressen, bevor Alex es so umprogrammierte, dass es den nicht mehr für eine besonders üble Verkalkung hielt.
Jetzt saßen wir in Alex Werkstatt, und er hörte sich
Ullas Bericht an.
Das Entkalken funktioniert ganz gut, sagte sie, obwohl
das Teil irgendwie unsystematisch vorgeht. Aber immerhin, es kommt voran.
Aber, Alex, es stört mich doch, dass es nachts auf der Suche nach
einer Wärmequelle zum aufladen öfters mal in meinem Bett landet.
Oh, sagte Alex. Eigentlich sollte es dazu die Steigerohre
der Heizung benutzen... Ich sehe mal, was ich da in der Programmierung
ändern kann.
Und da ist noch etwas, sagte Ulla. Du hattest doch etwas
gemacht, damit es den entfernten Kalk nicht überall hinkrümelt,
sondern ihn auf dem Waschbeckenrand ablegt. Das funktioniert auch ...
nur legt es ihn nicht einfach ab, sondern scheint etwas daraus zu bauen.
Es sieht inzwischen wie ein richtiger kleiner Sockel aus, vielleicht für
eine Statue...
Was? fragte Alex verblüfft. Oh, ja. Ich habe dem
Gerät eine ganze Reihe von Objekten eingegeben, die im Haushalt vorkommen
können, aus Kalkstein oder Marmor sind und nicht angegriffen werden
dürfen wie dein Aschenbecher, aber auch Plastiken und andere
Kunstobjekte... Vielleicht hat die künstliche Intelligenz das so
interpretiert, dass sie solche Objekte nicht nur erhalten, sondern erzeugen
soll. Könntest du das bitte beobachten und mir sagen, was daraus
wird?
Ich hätte gerne die Nike von Samothrake, sagte Ulla fröhlich.
Alles, nur bitte nicht die Laokoon-Gruppe, grummelte ich.
Die ist spießig.
Ulla stimmte mir zu.
Was ist eigentlich aus deinem Schattenwerfer geworden? wollte
ich wissen. Kann man den bald kaufen, an der Hutkrempe tragen und
in einen Ganzkörper-Schatten gehüllt durch die Stadt gehen?
Überall dunkle Gestalten, sagte Ulla dramatisch, die
durch die Straßen schleichen und in Schatten gehüllt im hellen
Sonnenlicht ihren dunklen Geschäften nachgehen. Sie begann
geheimnisvoll durch die Werkstatt zu schleichen, sah dabei aber eher wie
der Rosarote Panther aus.
Daraus wird wohl leider nichts, sagte Alex bedauernd. Die
Erzeugung von Anti-Licht darf ich nicht kommerziell verwerten, das ist
Teil eines Geheimabkommens mit ... äh, Entschuldigung, ich darf nicht
sagen, mit wem, das ist geheim.
Wir starrten ihn verblüfft an.
Na ja, ich hatte doch jahrelang alle Geheimdienste dieser Erde an
den Hacken, erklärte er. Die einen wollten, dass ich
für sie arbeite, die nächsten, dass ich an irgendwas nicht
arbeite, und die dritten, dass ich jedenfalls nicht für die Gegenpartei
arbeite. Schließlich habe ich mit den wichtigeren von denen ein
Abkommen getroffen: Ich forsche auf gewissen Gebieten nicht, und dafür
lassen sie mich in Ruhe.
Er schüttelte den Kopf. Das heißt aber nicht, dass sich
alle daran halten. Erst letzte Woche habe ich in meinem begehbaren Werkzeugschrank
einen Agenten gefunden. Gehörte zu einem kleineren Geheimdienst aus
dem Osten, war hinter den Stichsägenblättern in eine der Extra-Dimensionen
geraten und hatte sich vollkommen verirrt. Wenn ich nicht dringend einen
Ringhobel gebraucht hätte, wäre er vielleicht da drinnen verhungert.
Alex sah unsere besorgten Gesichter und winkte ab. Ich habe im Schrank
jetzt überall kleine Schilder als Wegweiser angebracht, damit man
auf jeden Fall wieder rausfindet.
Ulla lachte. Was, so Sachen wie Sie befinden sich hier
und Hinter den Steinbohrern links abbiegen?
Alex nickte, und wir mussten lachen.
Aber trotzdem, sagte ich. So wirklich lustig ist das
nicht. Was suchen die? Pläne?
Alex nickte. Pläne, Aufzeichnungen, solches Zeug. Aber wie
du weißt, gibt es die nicht ich habe alles im Kopf. Ist auch
viel einfacher, da muss ich nicht erst lange suchen, ich muss mich nur
erinnern.
Dann könnte aber jemand auf die Idee kommen, dich zu entführen,
warf Ulla ein, die liebend gerne Spionagethriller sieht.
Alex winkte ab. Ach, das haben sie doch schon versucht. Sechsmal,
glaube ich. Danach haben wir dann das Abkommen getroffen, weil sie einsahen,
dass ihnen das nichts bringt.
Entführt? Alex..., sagte ich besorgt.
Mach dir keine Gedanken, sagte er. Wie wollen die mich
festhalten? Alle bekannten Betäubungsmittel wirken nur dreidimensional,
und du weißt, dass ich in neun Dimensionen denke. Und wenn die jemanden
hätten, der etwas bauen könnte, mit dem man mich festhalten
kann dann bräuchten die mich nicht. Er grinste.
Alex, woher stammst du eigentlich? fragte Ulla vorsichtig.
Also, die Familie meines Vaters kommt aus Bargteheide, sagte
er nachdenklich. Die Familie meiner Mutter ... äh, von sehr
viel weiter weg, glaube ich.
Ulla und ich sahen uns an. Ich denke, uns kam beiden dieselbe Frage: Wie
viele Lichtjahre weiter weg?, aber wir stellten sie nicht.
© P. Warmann