Wir wollten die Zukunft...

Was für ein Tag. Ich sitze in meiner Wohnung, es ist sehr still, nur die Senfzikaden zirpen im Kühlschrank.
Ich sehe aus dem Fenster, und draußen treibt eine Wassermasse vorbei, Dutzende von Metern im Durchmesser. Den alten Regen mochte ich lieber, früher, als er noch in einzelnen Tropfen fiel, von denen man nie wusste, wo sie landen würden. Aber es war natürlich sehr unpraktisch.
Tja, wir hatten uns immer eine Zukunft gewünscht, und jetzt hat sie uns eingeholt.
Langsam lutsche ich einen Käsebonbon und denke, dass es einmal eine Zeit gab, als alles gleich schmeckte. Jetzt schmeckt alles nach etwas völlig anderem. Aber Siebdruckbrötchen sind eine lustige Idee. Auf meinem ist die Mona Lisa, in rot und grün. Und Kirschwurst.
Ich lasse das Brötchen links liegen, weil ich keinen richtigen Hunger habe, ich bin noch satt vom Mittagessen. Es war üppig: Marzipanzwiebeln und Bohnensuppen-Muffins und zum Nachtisch Lakritzquark.

Eigentlich wollte ich heute noch weggehen, entweder zu einem Fußballkonzert oder zu einer Blütenschlacht, aber ich bin müde. Außerdem heulen Winterkäfer durch die Straßen, groß wie früher die Autos, und ich habe einen harten Tag hinter mir.
Ich arbeite als Funkendesigner, und das ist ein ziemlich realitätsferner Beruf, so dass ich von den meisten Schwierigkeiten nichts mitbekomme. Aber man kann nicht völlig wirklichkeitsfrei leben. Das Universum schlägt Wellen, und sie reißen uns mit.
Das begann am Morgen mit Kornkreisen im Teppich, dann gefror spontan der Kaffee in meiner Tasse, und ich hätte wissen müssen, was das zu bedeuten hatte. Aber gegen Mittag schien es abzuflauen, und wir dachten schon, wir hätten es hinter uns. Dann traf es uns mit voller Stärke: Zuerst ein Konfettisturm, dann vermischte sich der Farbkopierer mit der daneben stehenden Lampe, und schließlich machten sich alle Bilder davon, zurück zum Punkt ihrer Entstehung. Ich habe nicht einmal die Hälfte dessen geschafft, was ich mir für heute vorgenommen hatte. Und auf dem Heimweg sah ich überall Blatthasen aus dem alten Laub entstehen.

Überhaupt ist schon seit drei Tagen Mittwoch, und es sieht nicht so aus, als wenn sich das bald ändern wird. Das Wochenende rückt in weite Ferne.
Ich sollte mich schlafen legen. Schlaf bringt Vergessen. Ich erinnere mich noch an Träume, aber es gibt sie nicht mehr. Nur die Wirklichkeit, aber die ist auch nicht mehr, was sie einmal war.

© P. Warmann