Das barocke Fest.

Am 3. Juli war hier ‘Das barocke Fest’. Der Festzug begann am Warleberger Hof. Es waren etwa zwanzig bis dreißig Leute in Barockkostümen, davon einige Frauen in Männerkleidern, ein etwas reduziertes Regiment von vier Mann mit Holzgewehren und ein ganz kleiner Festwagen. Die Kostüme waren teilweise grandios, besonders die Frauenkleider. Ich weiß nicht, ob sie Hilfe von einem Theater- oder Kostümverleih hatten; manches war erkennbar selbst geschneidert, vieles modern, wenn es passte, wie der Schmuck und alle Schuhe – sie hatten sich schwarze Slipper mit auffallenden Schnallen besorgt oder solche Schuhe mit Stoffschleifen aufgeputzt. Die Trommlerin, die vorneweg den Takt schlug, trug zur Uniform erstklassige moderne Reitstiefel – mit Sporen. An der Spitze des Zuges marschierte ein Mann in schwarzem Satin mit schwarzem Hut, grüner Feder daran und einem oberfiesen Perlenohrring. Er hat sich später als Historiker geoutet. Sie hatten auch einen Fanfarenspieler, der seinen Job verstand, sich aber in seinen türkisgrünen Kleidern sichtbar unwohl fühlte. Allerdings rutschten ihm auch die Kniestrümpfe.

Der Zug marschierte vom Warleberger Hof die Straße hoch, um den alten Markt und bis zur Kirche. Dort wurde das Brautpaar abgeholt – er mit Lockenperücke bis zur Taille. Dann ging es die Straße runter, über die Eggerstedtstraße und auf den Platz vor dem Schloss. Sie hatten die Requisiten unter dem Quertrakt aufgebaut, aber zum Glück regnete es nicht. Den Vormittag über hatte es gegossen, aber zwei Stunden vorher aufgehört.
Hier las der Historiker einige Anweisungen aus einem alten Benimmbuch vor, so wie später auch zu den anderen Programmpunkten. Dann wurde das Brautpaar beglückwünscht, und die Braut trat alle Erbansprüche ab. Danach wurde vorgeführt, wie damals bei Tisch bedient wurde. Der Vorführende verstand es wirklich, zierlich zu speisen. Dann haben sie sich entschuldigt, weil ihre Verstärkeranlage abgenippelt war, aber man konnte sie trotzdem sehr gut verstehen. Daher wurde das Theaterstück vorgezogen. In der Szene gab es nur Männerrollen, die in konsequenter Weise alle von Frauen gespielt wurden. Es war recht lustig und bestimmt von demselben Standard wie das Theater im Barock. Schließlich waren ja noch zu Lessings Zeiten die einzigen Voraussetzungen für einen Schauspieler, dass er den Text behielt und seine Stimme bis in die letzte Reihe trug. Womit ich sagen will, sie haben ungekünstelt und mit Schwung gespielt.
Inzwischen hatten sie die Anlage wieder hinbekommen, und so konnte das Menuett getanzt werden. Ich habe Menuett schon immer gemocht, und die Zuschauer waren alle begeistert. Hiernach kam es zu einem Zwischenfall: Einer der Herren entdeckte die Dame seines Herzens auf dem Schlossbalkon mit einem anderen Mann. Er brüllte Verwünschungen, die wurden erwidert, und es kam zu einem Degenduell, und zwar auf dem freien Platz zwischen Schloss und Springbrunnen. Zuerst fochten nur die beiden, aber nach und nach gesellte sich zu jeder Partei noch einer, am Ende war es also ein Quartell. Die fochten besser als in zwei Dritteln aller Filme, die ich gesehen habe. Entweder sie haben lange geübt, oder sie machen etwas ähnliches als Sport. Ich glaube das zweite, warum, sage ich gleich. Jedenfalls wurden nach und nach drei der Fechtenden in irgendwelche Körperteile gestochen und von Freunden vom Schlachtfeld geleitet. Der übrig gebliebene wurde von den Grenadieren verhaftet.
Jetzt wurde exerziert, was gar nicht klappte, worüber sich mein Vater freute. (Er meinte: Wie gut, dass das heute keiner mehr kann!) Man konnte allerdings gut erkennen, dass mindestens einer der Grenadiere Gummistiefel trug. Am Schluss gab es dann das Fußduell. Dabei standen sich zwei Männer in Karnevallsrüstungen, aber mit soliden Helmen gegenüber und hauten sich mit unterarmdicken Bambusknüppeln mit Schwertgriffen kräftig eins auf die Rübe. Wer zuerst fünf Treffer hatte, bekam den Siegerpreis. Das war nicht gestellt, beide schlugen mit Wucht zu. Sie trugen allerdings unter der Rüstung Stoffpolster. Da beide auch zu den Duellanten gehört hatten, nehme ich an, dass es sich um Leute aus der Kendo-Gruppe oder etwas ähnliches handelte – die wussten, was sie taten. Nach dem Duell stellten sich noch einmal alle zu Erinnerungsfotos auf und nahmen den Beifall entgegen.

© P. Warmann