Die Schnecke.

Am 20. September bin ich in der Kieler Innenstadt Richtung Bahnhof unterwegs (für Ortskundige: Sophienblatt zwischen Harmsstraße und Bahnhof, auf der bebauten Seite). Dort auf dem Bürgersteig, zwischen Druckertankstelle und Wettbüro, bemerke ich etwas, das wie ein Weinbergschneckengehäuse aussieht. Als ich es aufhebe, sehe ich, dass etwas drin ist – entweder hat jemand ein Kaugummi in das Gehäuse geklebt, oder der Schneck ist noch drin. Ich muss zum Zug, also verschwindet das Gehäuse in der Außentasche meines Rucksacks.
Als ich nach längerer Bahnfahrt beim Familiengeburtstag ankomme, sehe ich nach. Ja, es war ein Schneck im Gehäuse – er erkundet gerade seine Umgebung und streckt mir neugierig die Fühler entgegen. So wird er zu einem weiteren Geschenk zum 85. Geburtstag einer lieben Verwandten, die sich sehr darüber freut.
Die Frage ist nur: Wie kam eine Weinbergschnecke dort hin? Von der nächsten Grünanlage zu Fuß über eine vierspurige Straße? Vom Himmel gefallen? Durch ein Wurmloch teleportiert? Jemandem aus der Einkaufstasche gekugelt? Möglicherweise letzteres, aber woher kam sie dann? Wer verkauft lebende Weinbergschnecken? Terrarientier-Futter? Goumet-Restaurant-Bedarf?
Jedenfalls hat diese hier Glück: Sie endet weder in einem Echsenmagen noch in Kräuterbutter, sondern in einem hübschen Terrarium, liebevoll gepflegt von besagter alter Dame – die kurz zuvor zu mir gesagt hatte 'Ich würde mir gerne wieder ein Haustier anschaffen, aber in meinem Alter müsste es etwas ganz ruhiges sein'.

© P. Warmann