Sommerhausurlaub in Dänemark, Bornholm, Nachsaison. Ich bin dort mit
einer Freundin und ihrem Freund, unser Haus ist das letzte in einer Zeile
aus acht solchen Häusern, in einer Sommerhausanlage mit einigen solchen
Zeilen, schön weitläufig, mit Apfelbäumen dazwischen.
Unser Reihenendhaus grenzt an einen Knick (für Nicht-Norddeutsche: ein
Feldrandgehölz) voller Mehlbeeren, Schlehen, Vogelbeeren, Haselnüsse
und natürlich Brombeeren, dahinter ein Kornfeld. Ganz offensichtlich
ein Paradies für Mäuse, was mir spätestens dann klar wird,
als ich am ersten Tag zur Mülltonne gehe und, als ich den Deckel hebe,
etwas herunterfällt. Fällt? Nein, springt und weghuscht meine
erste Maus in diesem Urlaub. Es wird nicht die letzte bleiben.
Ja, da draußen ist ein Paradies für Mäuse. Nur leider bleiben
sie nicht dort.
Im Sommerhaus verteilen wir uns auf die zwei Schlafzimmer oben, ich bekomme
das mit den beiden Einzelbetten. Es steht an der Hauszeilen-Endwand, und offensichtlich
befindet sich zwischen innerer Holztäfelung und Ziegel-Außenmauer
eine Art Mäusestraßennetz. Jedenfalls raschelt es dort drinnen
in der Nacht, und piept und trippelt und quiekt und scharrt, und eine Art
Ablagebrett zwischen meinem Bett und der Wand scheint eine Mäuselaufbahn
zu sein, denn im Dunkeln trippelt es dort manchmal und riecht dann ganz stark
nach Maus. Wenn ich Licht anmache, ist natürlich niemand mehr da.
Also beschränke ich mich darauf, mit der Faust gegen die Wand zu donnern,
wenn es mir zu bunt wird, denn dann ist es für längere Zeit mucksmäuschenstill,
und ich kann schlafen.
Wir wissen also, dass wir Mäuse im Haus haben, und halten alle Lebensmittel
unter Verschluss, in Dosen oder Gläsern. Das funktioniert auch, und nur
einmal sehe ich eine Maus frustriet um den zugedeckelten Mülleimer kreisen
und sofort hinter den Küchenschränken verschwinden die stehen
an der gleichen Wand wie mein Bett...
Ja, es funktioniert, bis wir eines Tages von einem Ausflug zurückkommen,
ich hoch in mein Schlafzimmer gehe, und dort knuspert etwas. Vorsichtig luge
ich um die Ecke: Auf dem Tisch liegt eine Tüte, in der Salzlakritz-Fische
waren. Die habe ich inzwischen aufgegessen, aber der lakritzgetränkte
Zucker ist noch drinnen, und den verknuspert gerade eine Maus. Offensichtlich
hat sie mich noch nicht bemerkt. Was jetzt? Ich überlege, ob ich etwas
rufen oder in die Hände klatschen soll, damit sie davonflitzt, aber dann
greife ich kurz entschlossen zu und schnappe mir die Tüte mitsamt
der Maus! So schlechte Jäger sind wir Menschen also gar nicht.
Triumphierend trage ich meine Beute nach unten und zeige sie meinen Freunden.
Wir beraten, was wir mit der Maus machen sollen die sitzt währenddessen
ganz still in ihrer Tüte und tut so, als gäbe es sie gar nicht.
Schließlich entscheiden wir uns, der Maus laut und deutlich zu erklären,
dass es sich nicht gehört, sich in fremde Häuser zu schleichen und
anderer Leute Essen zu räubern, besonders, weil der Tisch dort draußen
so reichlich gedeckt ist. Wir wissen nicht, ob sie uns versteht, aber zumindest
wirkt sie angemessen eingeschüchtert. Dann trage ich sie hinaus und schüttle
sie am Knickrand aus der Tüte.
Übrigens, falls sich jemand fragt, was ich mit dem Lakritzzucker wollte:
Den hätte ich in meinen abendlichen Früchtetee gegeben eine
leichte Lakritznote passt wundervoll dazu. Ja, Dänemark ist ein wunderbares
Land für Leute mit besonderen Geschmacksvorlieben: Es gibt hier nicht
nur großartige quietschgrüne cremegefüllte Marzipanfrösche,
sondern auch Salzlakritz mit Schokoladenhülle!
Und anscheinend ist nicht nur diese Sommerhausanlage ein Mäuseparadies.
Am nächsten Tag mitgehört im Supermarkt: Überall lofen
se rum, und nirjendwo kriegt man ne Mausefalle. Ja, nicht nur Mäuse,
auch Berliner sind überall.
Wieder ein paar Tage später sitzen wir drei abends still und gemütlich
im Wohnzimmer, ich lese, er liest, sie strickt. Da, plötzlich, dringt
aus der Küche ein gewaltiger Lärm. Piepsen, Quieken, Kreischen,
und Gepolter. Was ist das? Mäuse?
Ja, Mäuse. Zwei von ihnen kugeln plötzlich aus der Küchentür,
balgen sich, kratzen, beißen, treten, rangeln miteinander, trennen sich
und fallen wieder übereinander her. Mitten auf dem Fußboden vor
unseren Augen. Was ist da eigentlich los? Familienstreit? Eifersuchtsdrama?
Wir starren verblüfft auf die Mäuseprügelei, anscheinend haben
sie überhaupt nicht bemerkt, dass wir hier sind, bis ... ganz plötzlich
... die beiden erstarren ... zwei Paar Mäuseaugen blicken entsetzt in
drei Paar Menschenaugen. Dann, iieeeks! (mäuseseitig), stürzen
sie davon, rette sich, wer kann!', in wilder Flucht in die Küche.
Wir können uns vor Lachen kaum halten. Das ist wirklich ein großartiger
Urlaub, mit Gratis-Mäuseshow.
© P. Warmann